Dissertationspreis

Die Wissenschaftliche Gesellschaft für Arbeits- und Betriebsorganisation e.V. schreibt seit 2016 einen Dissertationspreis aus. Der Preis wird als an eine Nachwuchswissenschaftlerin oder einen Nachwuchswissenschaftler für eine Dissertation vergeben, die in den letzten beiden Kalenderjahren erfolgreich abgeschlossen wurde. Die Dissertation sollte ein zukunftsweisendes Thema aus dem Bereich der Arbeits- und Betriebsorganisation aufgreifen und neue Perspektiven und Impulse für die wissenschaftliche Arbeit und ihre praktische Anwendung geben. Der Preis wird jährlich vergeben.

Das Auswahlkomitee setzt sich aus Mitgliedern der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Arbeits- und Betriebsorganisation e.V. zusammen. Die Verleihung des Preises erfolgt während des jährlichen Forschungsseminars der Wissenschaftlichen Gesellschaft. Die Preisträgerin oder der Preisträger erhält die Gelegenheit, die prämierte wissenschaftliche Arbeit auf dieser Tagung vorzustellen.

Die Preisträger:

2023:

von_See-e1630232670832Dr. Hanna Theuer promovierte an der Universität Potsdam zum Thema „Beherrschung komplexer Produktionsprozesse durch Autonomie“. Sie entwickelte ein dreistufiges Modell, dass die Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen von Menschen, Maschinen und Software in Produktionsprozessen in den Mittelpunkt stellt und über zwei Aggregationsstufen die Dezentralität des Prozesses quantifiziert. Ein Praxisbeispiel illustriert die Praxistauglichkeit der Arbeit, während Simulationsexperimente im Zentrum Industrie 4.0 eine Prozessverbesserung durch erhöhte Dezentralität nachweisen konnten.

Moderne Technologien befähigen die beteiligten Akteure eines Produktionsprozesses die Informationsaufnahme, Entscheidungsfindung und -ausführung selbstständig auszuführen. Hierarchische Kontrollbeziehungen werden aufgelöst und die Entscheidungsfindung auf eine Vielzahl von Akteuren verteilt. Positive Folgen sind unter anderem die Nutzung lokaler Kompetenzen und ein schnelles Handeln vor Ort ohne (zeit-)aufwändige prozessübergreifende Planungsläufe durch eine zentrale Steuerungsinstanz. Die Bewertung der Dezentralität des Prozesses hilft beim Vergleich verschiedener Steuerungsstrategien und trägt so zur Beherrschung komplexerer Produktionsprozesse bei. Obwohl die Kommunikationsstruktur der an der Entscheidungsfindung beteiligten Akteure zunehmend an Bedeutung gewinnt, existiert keine Methode, welche diese als Grundlage für die Operationalisierung der Dezentralität verwendet. Hier setzt diese Arbeit an. Es wird ein dreistufiges Bewertungsmodell entwickelt, dass die Dezentralität eines Produktionsprozesses auf Basis der Kommunikations- und Entscheidungsstruktur der am Prozess beteiligten, autonomen Akteure ermittelt. Aufbauend auf einer Definition von Dezentralität von Produktionsprozessen werden Anforderungen an eine Kennzahl erhoben und — auf Basis der Kommunikationsstruktur — eine die strukturelle Autonomie der Akteure bestimmenden Kenngröße der sozialen Netzwerkanalyse ermittelt. Die Notwendigkeit der zusätzlichen Berücksichtigung der Entscheidungsstruktur wird basierend auf der Möglichkeit der Integration von Entscheidungsfindung und -ausführung begründet. Die Differenzierung beider Faktoren bildet die Grundlage für die Klassifikation der Akteure; die Multiplikation beider Werte resultiert in dem die Autonomie eines Akteurs beschreibenden Kennwert tatsächliche Autonomie, welcher das Ergebnis der ersten Stufe des Modells darstellt. Homogene Akteurswerte charakterisieren eine hohe Dezentralität des Prozessschrittes, welcher Betrachtungsobjekt der zweiten Stufe ist. Durch einen Vergleich der vorhandenen mit der maximal möglichen Dezentralität der Prozessschritte wird auf der dritten Stufe der Autonomie Index ermittelt, welcher die Dezentralität des Prozesses operationalisiert. Das erstellte Bewertungsmodell wird anhand einer Simulationsstudie im Zentrum Industrie 4.0 validiert. Dafür wird das Modell auf zwei Simulationsexperimente — einmal mit einer zentralen und einmal mit einer dezentralen Steuerung — angewendet und die Ergebnisse verglichen. Zusätzlich wird es auf einen umfangreichen Produktionsprozess aus der Praxis angewendet.

2022:

von_See-e1630232670832
Die vorliegende Arbeit von Herrn Dr.-Ing. Marcus Grum mit dem Titel „Construction of a Concept of Neuronal Modeling“ addressiert das Geschäftsproblem von ineffizienten Prozessen, unpräzisen Prozessanalysen und -simulationen sowie untransparenten künstlichen neuronalen Netzwerken, indem ein Modellierungskonzept zum Neuronalen Modellieren konstruiert wird. Dieses neuartige Konzept des Neuronalen Modellierens (CoNM) fungiert als flexibler und effizienter Ansatz zum Modellieren, Simulieren und Optimieren von Prozessen mit Hilfe von neuronalen Netzwerken und wird mittels einer Modellierungssprache, dessen mathematischen Formalisierung und technischen Substanziierung sowie einer Sammlung von neuartigen Subartefakten beschrieben. In der Verwendung derer Implementierung als CoNM-Werkzeuge können somit neue Arten einer Neuronalen-Prozess-Modellierung (NPM), Neuronalen-Prozess-Simulation (NPS) sowie Neuronalen-Prozess-Optimierung (NPO) realisiert werden. Die Wirksamkeit der erstellten Artefakte wurde anhand von sechs Experimenten demonstriert sowie in einem Industrie-4.0-Simulator in realen Produktionsprozessen gezeigt.

2020:

von_See-e1630232670832Digitalisierung ist mehr als nur ein Hype: kurze Innovationszyklen, der digital agierende Kunde sowie ein volatiles Wettbewerbsumfeld fordern von Unternehmen eine nie dagewesene Reaktionsgeschwindigkeit. Vor diesem Hintergrund identifiziert diese Dissertation auf Basis eines Mixed-Methods-Ansatzes – bestehend aus 18 Expertengesprächen und einer Online-Befragung mit 331 Unternehmensvertretern – erstens Veränderungstreiber und analysiert diese hinsichtlich ihrer Wechselwirkungen.

Dr.-Ing. Birgit von See, TU Hamburg

Ein Handlungsrahmen für die digitale Transformation in Wertschöpfungsnetzwerken:

Digitalisierung ist mehr als nur ein Hype: kurze Innovationszyklen, der digital agierende Kunde sowie ein volatiles Wettbewerbsumfeld fordern von Unternehmen eine nie dagewesene Reaktionsgeschwindigkeit. Vor diesem Hintergrund identifiziert diese Dissertation auf Basis eines Mixed-Methods-Ansatzes – bestehend aus 18 Expertengesprächen und einer Online-Befragung mit 331 Unternehmensvertretern – erstens Veränderungstreiber und analysiert diese hinsichtlich ihrer Wechselwirkungen. Zweitens wird auf der empirischen Grundlage ein soziotechnischer Handlungsrahmen für die digitale Transformation abgeleitet, der wiederum drittens überprüft wird. Die Qualifikation der Mitarbeiter stellt sich als zentrales Handlungsfeld bei der digitalen Transformation in Wertschöpfungsnetzwerken heraus.

2019:

Haase-e1630232117980In ihrer Dissertation bearbeitet die Autorin die Konzeption technologiebasierter Lern- und Assistenzsysteme für die Instandhaltung und konkretisiert diese am Beispiel eines Hochspannungsleistungsschalters. Vorgelegt wird eine theoretische Fundierung für aktuelle und zukünftige Anforderungen im Bereich hochtechnologischer Produktions- und Instandhaltungsprozesse.

  Dr.-Ing. Tina Haase, Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF Magdeburg

Industrie 4.0. Technologiebasierte Lern- und Assistenzsysteme für die Instandhaltung:
In ihrer Dissertation bearbeitet die Autorin die Konzeption technologiebasierter Lern- und Assistenzsysteme für die Instandhaltung und konkretisiert diese am Beispiel eines Hochspannungsleistungsschalters. Vorgelegt wird eine theoretische Fundierung für aktuelle und zukünftige Anforderungen im Bereich hochtechnologischer Produktions- und Instandhaltungsprozesse. Neue technologiebasierte Lern- und Assistenzsysteme bilden komplexe Prozessanforderungen ab und stellen Erfahrungswissen bereit. In neuen Lern- und Assistenzformen bestehen umfangreiche Potentiale für die Aus- und Weiterbildung, da sie die Anforderungen an Fachkräfte mit den Rahmenbedingungen von Industrie 4.0 und der demografischen Entwicklung verbinden.

2018:

Sander-e1630231765482Dieses Buch entwirft ein Werkzeug, welches durch einen neuartigen Ansatz die aussagekräftige, überzeugende Demonstration und Validierung des spezifischen Nutzens von CPS in der Fabrik gestattet. In Form einer hybriden Simulationsumgebung mit physischen als auch virtuellen Komponenten liefert es eine Implementierung, die zeigt, wie sich die gegenüberstehenden Anforderungen nach spezifischer und dennoch aufwandsarmer Modellierung vereinen lassen.

  Dr.-Ing. Sander Lass, Universität Potsdam, Zentrum Industrie 4.0

Nutzenvalidierung cyber-physischer Systeme in komplexen Fabrikumgebungen – Ein hybrides Simulationskonzept für Industrie 4.0:

Im Wettbewerb agierende Fertigungsunternehmen benötigen moderne Produktionssysteme, die sowohl durch eine hohe Produktivität bei geringen Kosten als auch durch große Flexibilität bezüglich der zu fertigenden Varianten gekennzeichnet sind. Die resultierende hohe Komplexität gilt es durch geeignete Technologien zu beherrschen. Dezentralität und Autonomie – mittels cyber-physischer Systeme (CPS) realisiert – sind als Lösungsansätze mit diesbezüglichem Potenzial anerkannt, wie die aktuelle Diskussion um Industrie 4.0 und Internet of Things (IoT) zeigt. Allerdings erfordert die praktische Umsetzung die individuelle Adaption der allgemeinen Lösungskonzepte. Dieses Buch entwirft ein Werkzeug, welches durch einen neuartigen Ansatz die aussagekräftige, überzeugende Demonstration und Validierung des spezifischen Nutzens von CPS in der Fabrik gestattet. In Form einer hybriden Simulationsumgebung mit physischen als auch virtuellen Komponenten liefert es eine Implementierung, die zeigt, wie sich die gegenüberstehenden Anforderungen nach spezifischer und dennoch aufwandsarmer Modellierung vereinen lassen.

2017:

ines_spieler_300dpi_pbDie Dissertation untersuchte Mechanismen, die dem Zusammenhang zwischen Arbeitsplatzflexibilität und Alter mit verschiedenen Wohlbefindensindikatoren an der Schnittstelle von Arbeits- und Privatleben zugrunde liegen. Insbesondere gibt die Dissertation Aufschluss über die Rolle verschiedener die Grenzen prägender Anforderungen, Ressourcen und Strategien, die den Zusammenhang dieser Trends mit der Stärke der Grenzen zwischen Lebensbereichen und Wohlbefindensindikatoren an der Schnittstelle von Arbeits- und Privatleben erklären können.

  Dr. Ines Spieler

Workplace Flexibility and the Aging Workforce:

How Two Contemporary Workplace Trends Shape the Work/Nonwork Interface

Die heutige Arbeitswelt ist charakterisiert durch technologische Entwicklungen, die es Beschäftigten erlauben, überall und zu jeder Zeit zu arbeiten, sowie durch zunehmend alternde Belegschaften. Wie wirken sich diese aktuellen Trends am Arbeitsplatz aus auf die Schnittstelle von Arbeit und Privatleben der Beschäftigten? Die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben ist ein Balanceakt und eine große Herausforderung – nicht nur für Beschäftigte und ihre Familien, sondern auch für Organisationen. Manche stufen das Management der Schnittstelle von Arbeits- und Privatleben als eine der kritischsten Herausforderungen ein, die unsere heutige Generation bewältigen muss.

Implizit wird davon ausgegangen, dass Arbeitsplatzflexibilität zu einer besseren Work-Life-Balance beiträgt, da sie Beschäftigten Einfluss darüber gibt, wann, wie lange und wo sie arbeiten. Jedoch ist die empirische Befundlage diesbezüglich bisher uneindeutig und es ist derzeit unklar, ob Arbeitsplatzflexibilität das Wohlbefinden von Beschäftigten erhöht oder beeinträchtigt – und ob sie das erfolgreiche Balancieren von Arbeits- und Privatleben erleichtert oder behindert. Als Reaktion auf die steigenden Zahlen älterer Beschäftigter im Arbeitsmarkt haben OrganisationsforscherInnen begonnen, Alters-unterschiede in arbeitsbezogenen Variablen, wie bspw. Einstellungen zur Arbeit, Motivation und arbeitsbezogenem Stress oder Leistung, zu untersuchen. Jedoch ist das Wissen darüber, wie Beschäftigte verschiedener Altersgruppen die Schnittstelle von Arbeits- und Privatleben wahrnehmen, noch immer rudimentär, obwohl das Balancieren von Arbeits- und Privatleben ein Anliegen für Beschäftigte jeden Alters ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Wenngleich Arbeitsplatzflexibiltät und alternde Belegschaften umfangreich diskutierte Phänomene sind, wissen wir nur wenig über ihren Einfluss auf die Schnittstelle von Arbeits- und Privatleben und über die unterliegenden Mechanismen. Dementsprechend war das Hauptziel der Dissertation, zum Verständnis über den Einfluss von Arbeitsplatzflexibiltät und Alter auf Prozesse an der Schnittstelle von Arbeits- und Privatleben beizutragen.

Die Dissertation untersuchte Mechanismen, die dem Zusammenhang zwischen Arbeitsplatzflexibilität und Alter mit verschiedenen Wohlbefindensindikatoren an der Schnittstelle von Arbeits- und Privatleben zugrunde liegen. Insbesondere gibt die Dissertation Aufschluss über die Rolle verschiedener die Grenzen prägender Anforderungen, Ressourcen und Strategien, die den Zusammenhang dieser Trends mit der Stärke der Grenzen zwischen Lebensbereichen und Wohlbefindensindikatoren an der Schnittstelle von Arbeits- und Privatleben erklären können.

Ergebnisse

Basierend auf drei unabhängigen Stichproben mit Querschnitts- und Tagebuchdaten tragen die drei empirischen Kapitel zur Forschung im Hinblick auf Arbeits- und Privatleben bei. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie Arbeitsplatzflexibilität und Alter die Grenzen zwischen Lebensbereichen sowie das affektives Wohlbefinden und Work-Life-Balance der Beschäftigten beeinflussen. Im Großen und Ganzen zeigen die Befunde, dass in Maßen genutzte Flexibilität bezüglich Start-, End- und Pausenzeiten den Beschäftigten hilft, starke Grenzen zwischen den Lebensbereichen aufrecht zu erhalten. Solch starke Grenzen wiederum hingen durchweg mit höherem Wohlbefinden und vorteilhaften Interaktionen zwischen Lebensbereichen zusammen.

Das Erreichen von Zielen, individuelle Präferenzen für Stärke der Grenzen und Strategien des Grenzmanagements unterstützten die Trennung von Arbeits- und Privatleben, während Erreichbarkeit außerhalb regulärer Arbeitszeit die Grenzen um das Privatleben schwächte. Zudem scheinen ältere im Vergleich zu jüngeren Beschäftigten, unabhängig von altersbedingten Änderungen in Lebensumständen, konkurrierende Anforderungen aus Arbeits- und Privatleben erfolgreicher zu vereinbaren. Ein Grund hierfür liegt scheinbar in ihrem aktiven Grenzmanagement, welches den Zusammenhang zwischen Alter und der Stärke der Grenzen zwischen Lebensbereichen erklärte. Zuletzt betont die vorliegende Forschungsarbeit den dynamischen Charakter der Schnittstelle von Arbeits- und Privatleben sowie die Wichtigkeit, Zusammenhänge sowohl auf Tages- als auch auf Personenebene zu analysieren: Während die gelegentliche Nutzung von Flexibilität positiv mit dem Erreichen von privaten Zielen und Grenzstärke zusammenhängt, stellt die dauerhafte Nutzung eine an den Resourcen zehrende Belastung dar, die das Erreichen von Arbeitszielen untergräbt

2016:

haemmerle
Die entwickelte Methode basiert auf 23 der wichtigsten in der Praxis eingesetzten Instrumente der numerischen, zeitlichen und finanziellen Personalflexibilität. Das mathematische Dimensionierungsmodell bildet diese Instrumente und ihre komplexen Wirkungen ab. Mit Hilfe des Modells kann für verschiedene Flexibilitätsalternativen die erforderliche Nutzungsintensität und -dauer der eingesetzten Personalflexibilitätsinstrumente bestimmt werden. Die Auswirkungen der Instrumentennutzung bewertet die Methode je Flexibilitätsalternative mittels multidimensionaler, quantitativer und qualitativer Kriterien.

Dr. Moritz Hämmerle

Methode zur strategischen Dimensionierung der Personalflexibilität in der Produktion

Neben kundenindividuellen Produkten und erodierenden Lieferzeiten sind volatile Absatzmärkte heute eine große Herausforderung für produzierende Unternehmen. Stärkere und kurzfristigere Absatzschwankungen erfordern einerseits schlanke Produktionsstrukturen und andererseits immer häufiger den flexiblen Einsatz der Produktionsressourcen. Am Hochlohnstandort Deutschland ist insbesondere der flexible Einsatz von gut qualifizieren Produktionsmitarbeitern ein Wettbewerbsvorteil für produzierende Unternehmen. Für einen effizienten Personaleinsatz setzen die Unternehmen daher heute Personalflexibilitätsinstrumente, wie Teilzeit, Zeitarbeit oder Arbeitszeitkonten, ein.

Deutschen Produktionsunternehmen stehen derzeit eine große Anzahl unterschiedlicher Personalflexibilitätsinstrumente zur Verfügung, die jeweils verschiedene Wirkungen erzeugen. Diese Auswirkungen unterscheiden sich im Wesentlichen in Kapazitätswirkung, Einsatzfristen, Nutzungskosten, Wirkdauern und der Passung von Instrumenten zur Unternehmenskultur. In der Praxis orientieren die Unternehmen den Einsatz ihrer Flexibilitätsinstrumente jedoch häufig nur am kurzfristigen und reaktiven Bedarf. Eine systematische Auswahl und strategische Dimensionierung verschiedener Personalflexibilitätsinstrumente, die sich am spezifischen Flexibilitätsbedarf orientiert und die vielfältigen Wirkungsdimensionen berücksichtigt, findet in den Unternehmen zumeist nicht statt. Dies liegt auch darin begründet, dass die Personalflexibilität in der unternehmerischen Praxis in Zusammenarbeit von Personal- und Produktionsmanagement gestaltet wird. In beiden Disziplinen bestehen allerdings bislang keine passenden Methoden und Werkzeuge zur strategischen Dimensionierung der Personalflexibilität in der Produktion.

Zur Kompensation dieses Defizits, ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit für Unternehmen eine Methode zur strategischen Dimensionierung der Personalflexibilität in der Produktion zu entwickeln. Diese strategische Dimensionierung bestimmt den Nutzungsumfang der Instrumente auf Basis der unternehmensspezifischen Marktvolatilität und berücksichtigt die komplexen Wirkzusammenhänge beim Instrumenteneinsatz. Dazu ermittelt und bewertet sie, welche Personalflexibilitätsinstrumente in einem Unternehmen zum Einsatz kommen sollen und wie intensiv und wie permanent deren Nutzung sein soll. So unterstützt die Methode Produktionsunternehmen bei der Gestaltung eines Flexibilitätsrahmens, mit dem sie die Schwankungen ihres Kapazitätsbedarfs effizienter und qualitativ besser abdecken können, als dies ohne möglich ist.

Für die strategische Dimensionierung werden zunächst verschiedene Personalflexibilitätsalternativen entwickelt. Diese beschreiben, welche Flexibilitätsinstrumente zur Bewältigung eines Marktszenarios zum Einsatz kommen können. Die gebildeten Flexibilitätsalternativen werden im Anschluss mit Hilfe eines mathematischen Dimensionierungsmodells dimensioniert und dann multidimensional bewertet. In einem mehrphasigen Prozess führt dies zur Priorisierung der passenden Flexibilitätsinstrumente.

Die entwickelte Methode basiert auf 23 der wichtigsten in der Praxis eingesetzten Instrumente der numerischen, zeitlichen und finanziellen Personalflexibilität. Das mathematische Dimensionierungsmodell bildet diese Instrumente und ihre komplexen Wirkungen ab. Mit Hilfe des Modells kann für verschiedene Flexibilitätsalternativen die erforderliche Nutzungsintensität und -dauer der eingesetzten Personalflexibilitätsinstrumente bestimmt werden. Die Auswirkungen der Instrumentennutzung bewertet die Methode je Flexibilitätsalternative mittels multidimensionaler, quantitativer und qualitativer Kriterien. Zur quantitativen Bewertung des Instrumenteneinsatzes kommen in der Methode neun Kriterien zum Einsatz. Dies sind betriebswirtschaftliche (z.B. Einsatzkosten), produktionswirtschaftliche (z.B. Wirkung auf Produktqualität) und personalwirtschaftliche Kennzahlen (z.B. Nutzungsumfang der Instrumente). Zur Bewertung anhand nicht quantifizierbarer, produktions- und betriebsspezifischer Kriterien, findet zudem eine qualitative Bewertung der Personalflexibilitätsalternativen statt. Diese wird mit Hilfe einer Nutzwertanalyse durchgeführt. Der damit ermittelte Flexibilitäts-Index zeigt für jede Flexibilitätsalternative deren Eignung in Bezug auf die betriebsspezifischen, qualitativen Kriterien. Die Zusammenführung der quantitativen und qualitativen Bewertungsergebnisse ermöglicht die Priorisierung und Auswahl von strategisch dimensionierten Personalflexibilitätsinstrumenten.

Die Übertragbarkeit der berechneten Ergebnisse und die Anwendbarkeit der Methodik in der Realität wurden am Beispiel von vier unterschiedlichen Produktionsunternehmen dargelegt. Die Validierung des Dimensionierungsmodells am Beispiel von drei Produktionsunternehmen bestätigt, dass das Modell gültige Ergebnisse erzeugt, die mit der Realität vergleichbar sind. In der Validierung wurde zudem der Effekt des vollständig produktiven Personaleinsatzes gezeigt, welcher bei der Übertragung von berechneten Modellergebnissen auf die Realität berücksichtigt werden muss.

Um die Anwendbarkeit der strategischen Dimensionierungsmethode in der Praxis sicherzustellen, wurde sie am Beispiel eines Medizingeräteherstellers verifiziert. Hier wurden, für ein ausgewähltes Marktszenario, elf unterschiedliche Flexibilitätsalternativen mit Hilfe der Methode dimensioniert und bewertet. Durch den Einsatz der Methode zur strategischen Dimensionierung konnten Personalflexibilitätsinstrumente ermittelt werden, die dem Unternehmen, im Gegensatz zu davor, eine effektivere Bewältigung seiner spezifischen Marktvolatilität ermöglichen. Zudem ist durch die qualitativen Bewertungskriterien sichergestellt, dass die ausgewählten Flexibilitätsinstrumente zum Umfeld und der Kultur des Unternehmens passen. Dies stellt für den Medizingerätehersteller, im Vergleich zur vorherigen Situation, eine deutliche Verbesserung dar.

Die entwickelte Methode zur strategischen Dimensionierung der Personalflexibilität in der Produktion ist somit ein wichtiger Beitrag zur Zukunftssicherung von Unternehmen und Beschäftigung im immer volatileren Marktumfeld.