Aufgaben der Wissenschaftliche Gesellschaft für Arbeits- und Betriebsorganisation (WGAB) e.V.

Reger und freimütiger Gedankenaustausch zur Förderung der wissenschaftlichen Arbeit des gemeinsamen Fachgebietes, seiner Anerkennung und Nutzung.

Gemeinsames Eintreten für eine Intensivierung der Forschung und des Transfers ihrer Ergebnisse zusammen mit staatlichen, halbstaatlichen und privaten Institutionen vor dem Hintergrund, dass Lehre und Forschung an den deutschsprachigen Universitäten untrennbar miteinander verbunden sind.

Wechselseitige Unterrichtung über laufende Forschungsprojekte und Diskussion über zukünftige Entwicklungsfelder, um die Lehre und Forschung auf dem Gebiet der Arbeits- und Betriebsorganisation zu intensivieren und verbleibende Lücken zu schließen.

Thesen

Diese Thesen sind nach Überzeugung der Wissenschaftliche Gesellschaft für Arbeits- und Betriebsorganisation (WGAB) e.V. die Eckpunkte für zukünftige Forschungsaktivitäten im Bereich der Arbeits- und Betriebsorganisation, um geeignete Antworten auf den demografischen Wandel zu finden.
Anlässlich des 25. Jubiläums des Forschungsseminars der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Arbeits- und Betriebsorganisation (WGAB) e.V. stand das allumfassende Thema „Demografischer Wandel“ im Mittelpunkt.
Folgende Kernbotschaften sind laut Fachgremium HAB von besonderer Bedeutung:

Vorhandene Potenziale nutzen

Der demografische Wandel wird nicht an der alternden Belegschaft der führenden Industriebranchen Deutschlands vorüberziehen.

Bereits heute liegt das Durchschnittsalter in vielen Unternehmen bei über 45 Jahre mit steigender Tendenz. Bis zum Jahr 2020 wird der Anteil der 30- bis 49-Jährigen im erwerbsfähigen Alter auf ca. 40 % sinken und im Gegenzug wird sich der Anteil der über 50-Jährigen zugleich auf 40 % erhöhen.

Aufgrund der alternden Belegschaft und des höheren Renteneintrittsalters sind darüber hinaus folgende Faktoren wahrzunehmen. Mit dem Alter steigt:

  • die Wahrscheinlichkeit für eine Tätigkeitseinschränkung sowie
  • bei den meisten Menschen die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage.

Um dem entgegenwirken zu können, ist es erforderlich, die in den Mitarbeitern, u.a. in der älteren Belegschaft, vorhandenen Potenziale besser zu nutzen und längerfristig zu fördern, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern.

Demografie in die Gestaltung von Arbeitsabläufen integrieren

Bislang spielt in der Methodik bei der Produkt- und Prozessentwicklung die demografische Veränderung keine essenzielle Rolle. Hier bestehen zudem ungenutzte Reserven in der Prozess- und Arbeitsgestaltung.

Die Demografie muss unabdingbar in die Gestaltung von Arbeitsabläufen, Arbeitsplätzen und Arbeitsorganisation integriert werden. Systeme und Prozesse müssen alter(n)sgerecht gestaltet und bereits in den gesamten Planungsprozess und dessen Ausgestaltung integriert werden.

Lern- und innovationsförderliche Einbindung von Mitarbeitern

Laut einer Studie von Proudfoot werden bis zu 39 % der Produktivität der Belegschaft in einem Unternehmen verschwendet, u.a. durch unzureichende Managementplanung, ungenaue Qualifizierung der Mitarbeiter sowie ineffektive Kommunikation. Diese ungenutzten Potenziale könnten die Produktivität um bis zu 20 % erhöhen und dadurch dem steigenden Fachkräftemangel entgegenwirken.

Hier sollte eine lern- und innovationsförderliche Einbindung von Mitarbeitern ermöglicht werden, um diese bis an das Renteneintrittsalter aktiv und effizient im Unternehmen zu halten. Dabei sollten neue Kommunikationswege über moderne Medien wie Tablets zum Einsatz kommen und der mitarbeiterübergreifende Wissensaufbau und -transfer über Cloud-Lösungen in Form von Onlineplattformen und Wikis realisiert werden.

Gesundheitsförderliche Arbeitsplätze

Zukünftig müssen Methoden und Modelle der betriebsorganisatorischen und arbeitswissenschaftlichen Analyse und Gestaltung für lern- und gesundheitsförderliche Arbeitsplätze unter besonderer Berücksichtigung des Alters und Alterns ausgerichtet werden.

Dabei sind neben altersneutralen auch altersdifferenzierte Ansätze zu betrachten. Ganzheitliche Produktionssysteme (GPS) bieten hierfür eine solide Basis zur Gestaltung wettbewerbsfähiger Unternehmen und müssen zukünftig sowohl ergonomische als auch arbeitssicherheitsrelevante Aspekte als festen Bestandteil enthalten.

Assistenzsysteme entlasten Personal

Besonders in automatisierungsstarken Industriebereichen, beispielsweise von Montagearbeitsplätzen in der Automobilindustrie oder im Maschinen- und Anlagenbau, müssen Automatisierungslösungen zur Unterstützung und Entlastung der Mitarbeiter zum Einsatz kommen.

Diese technischen Assistenzsysteme tragen dazu bei, die alternde Belegschaft psychisch und physisch an ihrem Arbeitsplatz zu unterstützen, und helfen durch die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter, Produktivitätssteigerungen zu erzielen.

Eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen die steigenden Investitionskosten je Arbeitsplatz der Assistenz- und Robotersysteme. Es muss dabei mit Mehrkosten zwischen 30 % und 50 % je Automatisierungsgrad gerechnet werden.

Diese erhöhten Investitionskosten in die Automatisierungs- und Assistenzsysteme sind aber erforderlich, um Mitarbeiter zu unterstützen, Prozessqualitäten abzusichern und Produktivitätssteigerungen zu ermöglichen sowie den durch den demografischen Wandel bedingten Nachwuchskräftemangel durch Roboter-Interaktionen zu kompensieren.

Nachholbedarf bei Normen

Grenzen bilden bis dato noch lückenhafte und teilweise veraltete Normen und Sicherheitsrichtlinien für Mensch-Roboter-Interaktionen (z.B. die A-, B-, C-Normen/Maschinenrichtlinien). Hier besteht dringender Nachholbedarf, um einerseits die Rechtslagen eindeutig zu definieren und andererseits neue Technologien für sichere Roboter und Sensorik zum Einsatz kommen zu lassen.

Neue Systeme, wie eine optische Arbeitsraumüberwachung oder taktile Sensorsysteme, sind in der Lage, künftige Anforderungen an die alternden Mitarbeiter abzubilden und eine sichere Mensch-Roboter-Interaktion zu gewährleisten.

Prognose der Personalentwicklung

Eine kontinuierliche berufsbegleitende Weiterqualifizierung der Mitarbeiter spielt besonders vor dem Hintergrund der alternden Belegschaft in den Unternehmen eine wichtige Rolle.

Neben Assistenzsystemen zur Unterstützung der Mitarbeiter sollten schwerpunktmäßig Lernsysteme verankert werden, um die physische und kognitive Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter bis zum Renteneintrittsalter aufrechtzuerhalten. Die hier zu integrierenden betrieblichen Schulungsmaßnahmen bilden die Voraussetzung für die Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit.

Durch geeignete Maßnahmen des Personalmanagements müssen insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen frühzeitig neue Mitarbeiter aus Schulen und ggf. aus dem Ausland heranziehen und gezielt fördern. Basis dafür ist eine verlässliche Prognose der Belegschaftsentwicklung und eine aktive Auseinandersetzung der Unternehmen mit der demografischen Situation.

In diesem Zusammenhang sind geeignete Methoden zur Quantifizierung (im Kompetenz- und Prozessmanagement sowie in der Arbeitsanalyse und -gestaltung) erforderlich.

Thesen veröffentlicht in: www.vdi-nachrichten.de